Schülerverhalten
Das Schülerverhalten hat sich in unserer modernen Situation dermaßen ausdifferenziert, dass man heute von einer fast grenzenlosen Diversität von Verhalten, Erwartungen und Erscheinungen auch in der Schule sprechen kann. In der gegenwärtigen Diskussion um Schülerverhalten werden hauptsächlich die dramatischen Situationen (Amoklauf, Messerstecherei, Gewalt) in der Öffentlichkeit bearbeitet. Meist werden aber die tiefer liegenden Ursachen verschwiegen oder nicht zur Kenntnis genommen.
Durch eine bestimmte Initiation werden junge Menschen in ein schulisches System eingeführt. Bereits jetzt kommt es darauf an, wie der Novice diese Initiation als Hoffnung, Freude, Angst oder Bedrohung erlebt. Dann entstehen dauernde und sich verfestigende Skripts über Erfolg, Misserfolg, Lernfreude, Lernfrustration und Lernfortschritt über den schulischen Weg.
Eine gelungene Steuerung des Lernverhaltens beim Lehrenden ist bei den Lernenden durch die Bedingungen des Gehirns, der verschiedensten familiären und gesellschaftlichen Muster und der Einschränkungen der schulischen Organisation zu einer gigantischen Leistung geworden.
Für den Lehrenden gibt es viele neue Perspektiven zu bearbeiten, wie er z.B. die vielen unterschiedlichen Bewusstseinssysteme (Chreoden) oder Beliefs bei Lernenden in ein sinnvolles Lernarrangement einzubringen sind. Nicht umsonst werden immer mehr Kompetenzen vom Lehrenden erwartet.
Die entstandenen und relativ stabile Bewusstseins- und Handlungsstrukturen der Lernenden (Chreoden, Kösel 2002) und der Typ einer Lernkultur bestimmen im Wesentlichen zusammen mit dem Lehrerverhalten die Verhaltenstrukturen in der Schule: Wie lernen Lernende auf Grund ihrer bisher erworbenen Muster und Logiken? Welche Eigenlogiken müssen Lernende entwickeln, um sich in der Schule mit den unterschiedlichsten subjektiven Strukturen der Lehrenden zurechtzufinden? Der simple Mechanismus „begabt“ oder nicht begabt“, „dumm“ oder „intelligent“ ist angesichts der pluralen Erscheinungen von Kindstrukturen und Lehrerstrukturen im Vermittlungs- Prozess auf einer modernen professionellen Ebene nicht mehr anschlussfähig und haltbar.
Durch den immer schärferen Druck im Bildungstauschmarkt geraten jene Lernende in einen fast aussichtlosen Kampf, denen entsprechende Logiken, [[Repräsentationsprofile]] und Persönlichkeitsmerkmale fehlen, die dort erwartet werden.(Uhlig, J., Solga, H. Schupp, J.(2009):
Bei den Lernenden kann man ganz unterschiedliches Verhalten beobachten:
1. Schülerverhalten in Alltags- und Erfahrungssituationen:
2. Schülerverhalten in der Bewertungssituation
3. Schülerverhalten unter wissenschaftlichen Betrachtungsweise
a. Schülerverhalten nach der Entstehung durch gesellschaftliche Muster
b. Schülerverhalten nach der biographischen Entwicklung
c. Schülerverhalten als Bewusstseins- und Verhaltensstruktur im Lernprozess
d. Schülerverhalten als Persönlichkeitsdominanz
e. Bestimmung des Schülerverhaltens durch innere Repräsentations- Profile.
1. Schülerverhalten in Alltagssituationen: ===
Hier ist der Blick auf das offenkundige Verhalten im schulischen Alltag: durch Formulierungen bei [[Zeugnis]]sen, im Unterricht und zuhause. Es gibt die herkömmlichen Beschreibungen: Der Lernende ist intelligent, fleißig, dumm, faul, kann gut strukturieren usw.
2. Schülerverhalten in der Bewertungssituation ===
Die Definitions – Selektions- und Entscheidungsmacht des Lehrenden produziert u. a. das unterschiedliche Schülerverhalten.
Entsprechende Verhaltenstrukturen und Bewusstseinsstrukturen auf Seiten der Lernenden sind: Freude über Erfolg, Enttäuschung und Angst über Misserfolg, Depression und Rückzug, Rebellion und schließlich Selbst- oder Fremdtötung. Ein rückbezüglicher Mechanismus seitens vieler Eltern verstärkt den Druck auf Lernende, die darauf ganz unterschiedlich reagieren. Wir befinden uns in Deutschenland in einer Bildungsgesellschaft, in der die elitären Bildungsschichten ihre Privilegien durch Bildung unter allen Umständen aufrechterhalten wollen (s. der Streit in Hamburg um die 6 jährige Grundschule).
Hinzu kommen gravierende Unterschiede in der Bewertung und im sozialen Auf/Abstieg bei den unteren Bildungsschichten. (Uhlig u.a. 2009)
.
3. Schülerverhalten unter wissenschaftlichen Dimensionen
3.a. Schülerverhalten nach der Entstehung durch gesellschaftliche [[Muster]] (Kösel, E. 2002):
Gesellschaftliche Fakten und Bewusstseinssysteme aus der Gesellschaft sind eng mit den Lehrenden und Lernenden verbunden und umgekehrt reagieren diese selbst in Form von bereits internalisierten und inkorporierten Verhaltensimperativen und Verhaltensmustern auf diese Situation, auch in der Schule. Es sind die Musterübernahmen aus den gesellschaftlichen Situationen und Visionen: Beispiele: Mode- Chreoden, [[Event]]- Chreoden, Ästhetik- Chreoden, Multioptions- Chreoden, Überversorgungs- Chreoden, Chreoden der Ausbeutung, usw.
Dazu kommen früh die Selektionsängste im deutschen dreigliedrigen Schulsystem, wer zu den „Besseren“ und zu den „Schlechten“ in der Schule und später in der Gesellschaft gehören wird. Dieser Selektionsmechanismus hat durch die Überbetonung des Symbolwertes der Noten in einen immer härteren Bildungstauschmarkt für viele Schüler einen Fahrstuhleffekt (Beck) nach unten.
Durch den Mythos des Aufstiegs und Karriere über gute [[Noten]] hat sich das deutsche Schulsystem zu einem sozialen Feld der Diagnostik, der Selektion, der Beratung und Förderung der Schwachen und Förderung der [[Hochbegabten entwickelt. Es werden laufend neue Methoden erfunden, die diesen Mechanismus verstärken und fördern (Kompetenzanalysen bei Schülern, Evaluationsketten, Assessment- Verfahren, Fremd- und Selbstwahrnehmungen usw.). Es werden kaum die verborgenen Mechanismen und Wirkungen der Selektion]], der Noten und deren symbolischen Wert, der konservative und paradoxe Glauben an die Einheitsversion des Bildungssystems und des Wissens (Bildungsstandards) inmitten einer postmodernen Gesellschaft und Globalisierung gesehen. Dort geht es nicht mehr um Einheitswissen, sondern um die Beherrschung der Konstruktion von Wissen in ganz unterschiedlichen Kontexten und sozialen Feldern .Nach wie vor gelten die Noten als Symbole für Wissen, Karriere oder Abstieg.
Eindeutig sind die Befunde über den sozialen Status der Underachiever, d.h. derjenigen Schüler, die aus unteren Schichten kommen und dabei von vornherein schlechtere Chancen bei oft gleicher Leistung haben.
Die soziale Abgrenzung geschieht hauptsächlich durch Symbolisierung durch Noten als eine Form der Identitätserhaltung und eines Identitätsverlustes. Im Bereich des Bildungstauschmarktes werden Erwartungen als gesellschaftlicher Mythen z.B. seitens der Lehrenden an die Lernenden gestellt und durch Noten symbolisiert.
Beispiele von Schülerverhalten
Chreode der existenziellen Angst
Sie ist u.a. bei Kindern und Jugendlichen häufig zu beobachten, deren Elternteil arbeitslos oder durch andere gesellschaftliche Ereignisse arm geworden ist bzw. andere gesellschaftlichen Risiken existentiell erfahren hat. Es ist die Umkehrung der bisherigen Lebensgrammatik: „Vorher war alles gut, jetzt ist alles aussichtslos.“ Ich habe Angst vor dem Leben. Blockaden im Lernen. Existenzangst.
Chreode der Depression
Diese Chreode ist durch Rückzug und Aussichtslosigkeit gekennzeichnet. Es gibt wenig kognitive Antriebe. In Kombination mit der Türhüter Chreode ist aversives Verhalten vorprogrammiert.
Chreode des Pfiffikus
„Ich habe einen wachen Verstand, ich suche mir alle Vorteile heraus.“
Chreode der Anpassung
„Als Erwachsener werde ich es genauso machen.“
Chreode des Gegenskripts
„So werde ich es als Erwachsener nie machen.“
Chreode des fernen Zieles
Diese Chreode kann sich ausbilden, wenn sich das Kind oder der Jugendliche zwischen zwei Kulturen bewegt und Integrationsprobleme auf eine ferne zeitliche oder örtliche Zukunft projiziert und sich diese Einstellung verfestigt: „Ich lebe in einem fremden Land, obwohl ich deutsch spreche und deutsch denke. Wir arbeiten jetzt auf ein großes Ziel hin, das wir eines Tages erreichen werden.“ Beispielhaft Formulierungen können sein: „Du wirst ein großer Schauspieler, Fußballer, Sportler, Künstler“ oder „du sollst und wirst es einmal besser haben als wir“. „Ich lerne in der Schule nach diesem Ziel“.
Chreode der Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit
Die Ambivalenz der Zugehörigkeit/Nichtzugehörigkeit zu den Deutschen ist ein tief gewordener Grundtenor bei ausländischen Lernenden. Manche davon versinken in Traurigkeit und Apathie, andere versuchen durch gute Leistungen in der Schule ein späteres kulturelle Kapital anzuhäufen, um in dieser Gesellschaft eine Überlebenschance zu haben.“ Ich gehöre dazu und doch nicht dazu.“
Chreode der gesellschaftlich-nationalen Kränkung
Ratlosigkeit und Unverständnis sind die Grundbefindlichkeiten solcher Lernenden, sie haben aufgegeben und werden entweder sehr aggressiv oder teilnahmslos. Da fragen wir uns noch, warum soviel Aggression und Apathie in Schulen herrscht. Es wäre hier in erster Linie nicht das im Lehrplan verordnete Wissen, sondern die Anteilnahme des Lehrenden durch die Kommunikation um die eigene Lebenssituation oberste Leitdifferenz. Hier ist das Grundpostulat für didaktisches Handeln die Sorge für die individuelle Geborgenheit und Ausdifferenzierung der Weltstruktur des einzelnen Lernenden.
Die Chreode der Entehrung
Entehrungen sind die Kehrseite von Ehrungen. In Ehrungen wird das kulturelle Kapital als Wissen und Qualifizierung verteilt. Lernende, die die strukturelle Entehrung nach unten mitmachen mussten, reagieren u.a. durch eine merkbare Enttäuschung ihrer kognitiven Möglichkeiten oder sie organisieren ihre Lernziele als zukünftiger Sinnhorizont um. Sie verlagern, sie kompensieren usw. je nach neuem vorfindbaren Kontext (z.B. Hauptschule, Förderschule, Realschule, Schule für Lernbehinderte usw.). Interessant ist nur, dass solche Lernende den Bereich der virtuellen Welt und andere handlungspraktische „Welten“ z.T. genauso beherrschen können, wie die so genannten geehrter Lernenden. Dies kann man u.a. auch als Beweis für die Unspezifität von bestimmten kognitiven Leistungen der Schularten heranziehen.
Chreode der Überversorgung
Diese Chreode ist das Produkt der Eltern, die den Lernenden aus Angst vor Versagen alles geben und versprechen, um die Selektion nach unten zu vermeiden. Das Ergebnis sind Lernende, die keinen eigenen Anspruch auf Lernen haben, sondern immer nur lernen, weil sie dafür etwas bekommen oder verwöhnt werden. Sie verwenden dann im schulischen Milieu u.a. viele Schleichwege des Aktienerwerbs (siehe auch Chreode der Ausbeutung).
Chreode der Forderung
Dieses Bewusstsein und das entsprechende Schülerverhalten ist gekennzeichnet durch das Skript: „Du Lehrender wirst dafür bezahlt, dass du mir etwas beibringst. Meine Eltern zahlen dafür Steuern“. Solche Lernende haben jede Eigenverantwortung abgelegt. Diese Chreode entsteht entweder durch entsprechende elterliche Botschaften oder durch das Bewusstsein, dass man damit den Lehrenden in seiner Identität treffen kann.
3.b. Schülerverhalten nach der biographischen Entwicklung
Der in der plastischen Phase der Entwicklung eines Kindes - von der Zeugung bis etwa zum 4. oder 5. Lebensjahr entstandene Primärhabitus ist im Wesentlichen die Grundlage für unbewusste Imperative, Verhaltensmuster und einen inkorporierten Status der Sprache Das Individuum etabliert Sinnsysteme, die nach innen einen „hypnotischen Charakter“ haben. Zugleich reduzieren sie die Komplexität der Welt. Damit wird Ordnung und Stabilität erzeugt. Nach außen werden Handlungs- Imperativen und Handlungs- Mustern entwickelt.
Die häufig verwendeten Theorien über die kindliche Entwicklung, speziell der kognitiven, sind die von H. Erikson und Piaget. Die neuerdings stark beachtete Bindungstheorie (Bowlby, Brisch/Hellbrügge2006) liefert wertvolle Hinweise für die Entwicklung von Grundmustern bei Kindern. Sie haben aber nur Hinweischarakter, weil sie meistens den schulischen Kontext ausklammern.
Beispiele von Bewusstseinstrukturen:
Die Ausbeuter- Chreode
Der Ausbeuter pendelt zwischen zwei Welten hin und her. Einerseits hält er Abstand zur sozialen Umwelt, weil er innerlich ganz damit beschäftigt ist, seine auf Ersatzgefühle reduzierte innere Welt in Ordnung zu halten und die für ihn mysteriösen, darunter liegenden Gefühle nicht ins Bewusstsein dringen zu lassen. Andererseits sucht er ständig Partner, die seine Ersatzgefühle Ratlosigkeit, Nervosität, Erschöpfung, Depression - und sein Verhalten befriedigen. Typische Verhaltensmuster einer Ausbeuter- Chreode sind: Märtyrerhaltung, permanentes Bedürfnis nach Rückversicherung, Klagen, Nörgeln, Jammern bei der Notengebung, geschäftige Wichtigtuerei, Klatschhaftigkeit, Strebertum, Aufsässigkeit, Pseudo-Fröhlichkeit, extreme Hilfsbereitschaft, anhaltende Verstimmung.
Es nützt nichts, mit Ermahnungen, Appellen usw. zu operieren, sondern zu versuchen, eine Ebene des Vertrauens und der Wertschätzung im bestehenden Lernmilieu trotz dieser Erscheinungsweisen herzustellen. Dies erfordert vom Lehrenden allerdings viel Verstehen und zugleich Engagement.
Chreoden aus dem Sekundärhabitus
Die später entstandenen Chreoden (ca. vom 5. bis 14. Lebensjahr) und dem Erinnerungs- und Bewusstseinsbereich eher zugänglich und mit emotionalen Grundgefühlen bzw. Ersatzgefühlen verbunden als die Muster des Primärhabitus. Es sind kognitive Schemata, Vortheorien zu bestimmten Bereichen und Situationen, die sich im Laufe der Zeit auf Grund von späteren Erfahrungen rekursiv mit den früheren Mustern verwoben und herausgebildet haben. Es bilden sich auch die ersten Chreoden des schulischen Habitus heraus: Es sind die vielen Chreoden, wie z.B. Chreode der Konkurrenz und Entehrungen, der nationalen Kränkung, Fach- Chreode, Türhüter-Chreode, Lehrertyp- Chreode, Bildung der Bildungstauschmarkt- Chreoden: Erfolgs- und Misserfolgs - Chreoden im Bildungstauschmarkt.
Chreoden aus der späteren Entwicklung (ca. 12. bis 18.Lebensjahr)
Ganz typisch sind bestimmte schulische Situationen, in denen immer dieselben Verhaltensweisen sozusagen als operative Muster, erscheinen. Diese Verhaltensmuster erscheinen dem Handelnden als selbstverständlich und werden von ihm selbst überhaupt nicht in Frage gestellt. Sie haben mehr episodischen Charakter. Sie dienen dazu, die einzelne Situation zu bewältigen. Nur peripher tragen sie dazu bei, Ordnung und Stabilität in der Weltkonstruktion eines Menschen zu erhalten. Sie sind im schulischen Bereich vor allem in und an Fächern, in der Zuweisung zu den Schularten und durch die jeweilige Leistungsbewertungs- Symbolik entstanden und daran gebunden. So gehören auch die fachspezifischen Chreoden zu diesem Typus:
z.B. die mathematischen, sprachlichen, künstlerischen, physikalischen, chemischen Entwicklungslinien bei Lernenden.
Der Lernende beobachtet aus der Innenperspektive, seine Wahrnehmungen über sich selbst und über den Lehrenden sind anders als der außenstehende Beobachter. Dieser kann nur teilweise diese Innenlogik des anderen verstehen und beschreiben. Die Tatsache, dass ich als Lehrender etwas fühle und wahrnehme, was der einzelne Lernende nicht fühlt oder wahrnimmt, bestimmt immer den Unterschied zwischen [[Selbstbeobachtung]] und der Fremdbeobachtung. So gesehen, entstehen ständig gegenseitig blinde Flecke, die systemisch gesehen, zum Grundbestand einer Subjektiven Didaktik]] (Kösel, E. 2002) gehören. Dieser Zustand wird durch Abgrenzung und Mechanismen der Selektion (Tilgung, Generalisierung usw.) bei der Betrachtung der gegenseitigen Erwartungen gemildert.
3.c. Schülerverhalten als Bewusstseins- und Verhaltensstruktur im Lernprozess ==
Die Türhüter- Chreoden
Es sind schulische Anfangssituationen, in dem das Bewusstsein sofort nach wichtig-unwichtig, nach bekannt - unbekannt, verstehbar – nicht verstehbar unterscheidet. Danach ergibt sich vielfach das weitere Lernverhalten des Schülers. Es sind hauptsächlich fünf Anfangsbereiche, die diese Türhüter Chreode bestimmen: Lehrpersonen, Fach, Stoff, Klasse, Leistungsbeurteilung. Daraus entstehen durch die inneren Logiken der Lernenden viele Formen der inneren Abgrenzung oder einer positiven Resonanz.
Die neugierigen Chreoden
Bei dieser Chreoden sind von Anfang bis Ende Neugierde, Begeisterung und Leidenschaft zu beobachten. Es ist der ganze Mensch beteiligt. Hier gelten alle Merkmale der Flow- Theorie: Man konzentriert sich, man geht in der jeweiligen Tätigkeit völlig auf und die Grenze zwischen Wahrnehmung und Sein wird aufgelöst. Beim Lehr- und Lernprozess könnten wir diese Art von Bewusstsein als die glücklichste Form des Lernens bezeichnen, weil alles voller Spannung, kreativer Durchbrüche und intuitiver Erkenntnisse in einer persönlichen oder sozialen Symmetrie sein kann und alles auf die vorliegende Aufgabe fokussiert ist. Die Welt um uns herum versinkt. Folgende Merkmale sind zu beobachten: Neugierde, Begeisterung, Leidenschaft der Suche nach Sinn, kognitiver Optimismus, Verfügbarkeit von Wissen und Begrifflichkeit, konstruktivistische Einstellung, Abkehr von traditionellem oder festem Wissen, Struktursuche, Mustererkennung und Musterproduktion, Metaphorischer Reichtum.
Häufig beobachtete Logiken sind: Logik der begrifflichen Reihenfolge und Assoziativität, leidenschaftliche Suche nach einer eigenen Struktur, Befriedigung beim Gelingen, Neugier auf den nächsten Versuch, Logik der Unschärfe, Logik der ausgeblendeten Möglichkeiten, Logik der Heuristik, Colombo-Logik.
Chreoden der Aversion, des Nichtverstehens und Nichtverstandenwerdens
Der neugierige Anteil wird durch Dissoziation gestört oder es entsteht keine Resonanz aufgrund unterschiedlicher Repräsentations- Modi (Falsche Passung in der Repräsentationsdominanz: z.B. analytische- versus metaphorische Dominanz zwischen Lehrenden und Lernenden) oder durch bereits gebildete Türhüter- Chreoden. Die Folgen seitens der Gesellschaft und von Lehrenden sind Abwertungen und Entehrungen. Sind Lernende durch bestimmte Interaktionsprozesse an diese unbewussten Mechanismen gebunden, kann von Seiten des Lehrenden keine Erwartung auf schnelle Anpassung an sein eigenes System erwartet werden. Es wird vielmehr eine Reihe von Abgrenzungen unbewusst vorgenommen, wie bei den Türhüter - Chreoden.
Die theoretische Chreode
Bei dieser Chreode stellt die Benutzung von Sprache, Bildern und Codes das Dominanzprofil dar. Durch analytisches Denken wird als Ziel Zusammenhangwissen und die analytische Darstellung der Welt gesucht.
Die digitale Chreode
Solche Lernende sind Meister in der Handhabung von Zeichensystemen, besonders in der Computerwelt. Der binäre Code ist die Grundkodierung mit allen folgenden Variationen. Indices, Indexikalische Variation, blitzschnelle Erfassung von Signalen als Zeichensystem. Der Träger einer solchen Chreode ist Interpret von Bedeutung und Schließen: aufgrund eines Zeichens schließt er sofort auf weitere Zeichen und Zeichenfolgen, zunächst als hypothetisches Probieren und dann bei Bestätigung beginnt die Musterbildung mit allmählichem automatischem Ablauf. Es ist ein auf Sicherheit bezogenes Muster und ein müheloses Wiederholen der gleichen Operation. Daher ist die virtuelle Chreode eine spezifische Ausprägung der digitalen Chreode. Durch weitere Operationen erschließen sich nach und nach Relationen von Netzwerken und deren Verschachtelungen (Sandbothe, M. (2003) Die dazu gefundenen Logiken sind die Logiken des Pushens, des Poppens, der Colombo Logik und der Abduktion.
Die analoge Chreode / Chreode der Metaphorik
Lernende mit analoger Dominanz operieren eher mit Bildern, Metaphern, Ikonen und manchmal mit Symbolen. Diese Lernende sind hervorragende Erfinder von kognitiven Landkarten. Sie werden von Lehrenden, die eher eine digitale oder analytisch-lineare Chreode besitzen, häufig missverstanden oder sogar abgewertet. Dies hat seinen Grund darin, dass Analogien zwischen dem symbolischen Zeichen und dem von ihm bezeichneten Inhalt immer nur eine partielle Darstellung ist und solche Lernende kaum zu abstrakteren und allgemeineren Beschreibungen kommen. Für Lehrende, die einen ontologischen Habitus oder Standpunkt zur Sache einnehmen (Lehrerhandeln), sind diese Chreoden „minderwertig“. Dies gilt im gleichen Maße bei Metaphern und ikonischen Darstellungen. Andererseits ist gerade die Wissenschaft auf solche analoge Muster häufig angewiesen, so dass eine Abwertung didaktisch gesehen nicht gerechtfertigt ist. Es gibt Chreoden, die ausgesprochen oder versteckt mit dem metaphorischen Denken und Fühlen verbunden sind und die Lernenden oft gar nicht anders denken und handeln können. Sie führen eher die Sprache der Emotion. Bei digital orientierten Lehrenden gilt das genauso. Im Unterricht entsteht dann ein energetisches Feld der Resonanz oder Dissoziation, des Verstehens oder des Nichtverstehens (Beispiel Mathematik).
3.d. Schülerverhalten durch Persönlichkeitsdominanzen
Schülerverhalten kann man auch auf der Grundlage von Persönlichkeitsdominanzen beschreiben:
[Folgende Einteilung beruht auf den Arbeiten von Joern J. Bambeck (1997): und Kösel (2007):
]
Persönlichkeitsdominanzen (bei Lernenden- und Lehrenden)=
Alpha-Dominanz: Es sind Lernende mit einer starken Ausprägung folgender Merkmale: Durchsetzungskraft, Entschlusskraft, Verhandlungsgeschick, Ziel-Erreichung wichtiger als Gefühle und Wünsche der Mitarbeiter, Organisationsfähigkeit, visionäre Sicht, schnell und ungeduldig, wenn es um die Verwirklichung von Zielen geht, Neigung zur Ausblendung (Discounting) und Trübung sich selbst gegenüber, starke Aktivitäts- und Bewegungsdrang, rivalisiert und konkurriert gerne, wenig Selbstreflexion.
Beta-Dominanz
Es sind Lernende die folgende Merkmale aufweisen: Ausstrahlung von Wärme, Rücksichtnahme und Menschlichkeit, Nachgiebigkeit und Weichheit, Empathie, gutmütig, Harmoniebedürfnis, Ästhetische Orientierung, Familien und- Gewohnheitsmensch, sucht und gibt emotionale Zuwendung, berechenbar und unkompliziert, Vermittler und Schlichter, teamorientiert, Rücksichtnahme, Angepasstheit. Legt Wert auf Zugehörigkeit.
Gamma-Dominanz
Es sind Schüler mit folgenden Merkmalen: Gewissenhaftigkeit, Zuverlässigkeit, Ordnungsliebe, Pedanterie, Formalismus, bürokratisch, selbstbeherrscht, fleißig, Qualitätsehrgeiz, Kontrollbedürfnis, Planung bis ins Detail, analytisch, selbstdiszipliniert, Bedürfnis nach Absicherung und Sicherheit, freundlich, pünktlich, sparsam, vorsichtig
Delta-Dominanz
Es sind Lernende mit folgenden Merkmalen: Merkmale: Stressanfälligkeit, emotionale Labilität, Empfindlichkeit, Feinfühligkeit, Dünnhäutigkeit, niedrige Belastbarkeit, negative Grundstimmung, psychosomatische Beschweren, macht sich oft unnötig Sorgen, starkes Bedürfnis nach Anerkennung, selbstkritisch und Selbstzweifel, Originalität, geschickter Überzeuger, Berater Verhandler, Komplexitätsbewältigung, soziale und praktische Intelligenz.
Omega-Dominanz
Es sind Lernende mit folgenden Merkmalen: Abwartende Haltung, keine eigene Initiative, Ausführender, Alltagsorientierung, Genauigkeit, Wiederholung und Sicherheit, vorsichtig, zurückhaltend, Suche nach Anerkennung durch übertragene Aufgaben, bremst neue Ideen und Vorschläge, bleibt in alten Mustern, Neues macht Angst und Konfusion, Bequemlichkeit und Qualitätsehrgeiz nur bei bestehenden Situationen. Autoritäre Züge, wenn es um die Erhaltung des Alltäglichen und Gewohnten geht.
Diese Typisierung ist nicht als Etikettierung anzusehen, sondern als analytische Kategorien zur Analyse von Schülerverhalten. Es sollen gewisse Dominanzen bei Lernenden aufgrund von Erfahrung und Reflexion beschreiben werden, gleichzeitig aber ist klar, dass jede Person eine gewisse Variationsbreite in neuen Kontexten aufweist. Es gibt aber auch gewisse Verfestigungen, die auf blinde Flecke der eigenen Person (Lehrender, Lernender) hinweisen. Mit Hilfe dieses Dominanz-Profils lassen sie sich besser identifizieren und für eine weitere Entwicklung der Lehrenden und Lernenden konstruktiv einbauen. Die Fachdidaktiken haben bis heute kaum auf diese Dominanzfaktoren in ihren Forschungsprogrammen reagiert.
3.e. Schülerverhalten durch innere Repräsentationen ==
Alles was über die Ergebnisse aus der Gehirnforschung oben ausgeführt wurde, wird im Repräsentationsprofil fokussiert.
Die AVK-Chreode (auditiv- visuell- kinästhetisch)
Lernende und Lehrende mit AVK-Chreoden lernen am besten durch Zuhören und Diskutieren oder durch Wiederholung des Gehörten. Sie verlangen viel verbale Aufmerksamkeit. Folgende Merkmale sind zu beobachten: verbale Aufmerksamkeit bei Narrativem, bei sprachlich formulierten Informationen, in Situationen, in denen sprachliche Rückkoppelungen erforderlich sind, Aktivitäten in der Raumtopologie (diatopische Aktivitäten), Sprachliche Eigen-Wiederholungen, dialogische Auseinandersetzung. Häufig beobachtete Logiken sind: Logik der Rekursion, Logik der Linearität, Logik des Poppens.
Die VKA-Chreode (visuell- kinästhetisch- auditiv)
Lernende und Lehrende mit VKA-Dominanz brauchen im Unterricht Anschauungsmaterialien und Gelegenheit, sich zu bewegen und zu erfahren. Folgende Merkmale sind zu beobachten: Virtuelle Struktur, Visuelle Topologie, kinästhetischer Kontext, kontextuelle Verankerung durch Sehen, Bewegung und Hören. Häufig beobachtete Logiken sind: Logik der Dimensionierung (mind-map), Logik der Assoziation, Logik der Selbstorganisation, Logik der Architektur, Logik der Erfahrung.
===Die VAK-Chreode (visuell-auditiv- kinästhetisch)===
Lernende mit VAK- Dominanz lernen leicht, was sie selbst lesen und was sie gezeigt bekommen. Sie sollten ermuntert werden, viele verschiedene Dinge zu schreiben, von persönlichen Erlebnissen bis zu Dialogen, Gedichten und Phantasiegeschichten. Materiale Medien werden als willkommene Unterstützung gesehen. Folgende Merkmale sind zu beobachten: Reichhaltige Variation in der Inhalts- und Ausdrucksebene, Textorientierung, Bedürfnis nach Kommunikation, speziell nach der Möglichkeit des feedback und eine breite Interpretationserlaubnis. Häufig beobachtete Logiken sind: Logik der Zugehörigkeit, Logik der Begriffsbildung und Begriffsnetze, Logik der Interpretation und inhärenten Entschlüsselung.
=== Chreoden der virtuellen Well ===
Freie Mutationen treten an Stelle von Konstanz und die Inhalte sind beliebig modellierbar. Sie suggerieren Realität, aber alles könnte auch anders ein sein. Die Hypergeschwindigkeit des Datenstroms erzeugt ein Bewusstsein, dass alle Informationen sofort da sein, aber auch sofort wieder verschwinden können. Die typischen Tätigkeiten dabei sind die des Speicherns oder Löschens, das Einbeziehen wissensbasierter Technologien und des Gedächtnisses der Medien.
=== Chreode der optimistischen Virtualität ===
Die Lästigkeit der wirklichen Dinge. In epistemologischer Hinsicht operieren solche Chreoden in freien Logiken (Colombo-Logik). Sie kombinieren ungeniert und lassen es darauf ankommen, was dabei herauskommt. Ihre Gestaltkonstruktionen sind offen und assoziativ. Hinzu kommt, dass sie einen eigenen ästhetischen und sprachlichen Habitus entwickeln und kommunizieren. Sie sind Konstrukteure einer neuen Wirklichkeit. Bezogen auf den Aufbau einer epistemologischen Gemeinschaft bzw. Lernkultur sind sie Dialogpartner mit den Lehrenden geworden. Die bisherige Omnikompetenz des Lehrenden in einem geschlossenen Wissensraum, unter dem Primat der Stimme des Lehrenden und der hierarchischen Ordnung des Wissens durch den Lehrenden wird in eine mehr symmetrische Kommunikation umgewandelt. Diese neue soziale Grammatik zwischen Lernenden und Lehrenden kann als ein neuer Faktor zur Bildung postmoderner Lernkulturen angesehen werden.
=== Chreode der virtuellen Architektur ===
Mit virtueller Architektur sind z.B. blitzschnelle Übergänge, das Beherrschen der Logiken des Zappens und Pushens und die Vermischung der Bereiche von [[Realität]], [[Simulation]] und medialer Selektion gemeint. Die dafür bereitstehenden Techniken aus der Computerwelt werden sehr schnell rezipiert und zur eigenen digitalen Kultur transferiert.
=== Chreoden der virtuellen Logik ===
Man kann diese Chreode als eine Vermischung von realer und virtueller Phantasie beschreiben. Im Unterricht erscheinen solche Lernende manchmal überheblich und sprechen bewusst eine Insider- Sprache als soziales Symbol der [[Zugehörigkeit]] und des Symbols „auf der Höhe der Zeit“ zu sein. Folgende Merkmale sind zu beobachten: Infotainment, Pixel-Technik, die Leichtigkeit der Wirklichkeit, vom Realismus zum Konstruktivismus, medieninduzierte Aufweichung der Wirklichkeit.
=== Chreode der virtuellen Überlegenheit ===
Lernende mit solchen Chreoden bewegen sich im Mythos der Beweglichkeit gegenüber der Trägheit der Umwelt, sie schweben in den Welten der Datennetze und erfahren Widerständigkeit in der realen Welt. Es ist eine Befreiung von reproduktiven Referenzen, sie sind glücklich und konstruktiv. Damit erscheinen sie manchmal auch als arrogant und überheblich. Sie verwenden diese Chreode vermutlich als Instrument gegen Selektionsmuster in dem gängigen Bildungstauschmarkt, in dem die Grundcodierung „von oben und unten“ oder „besser oder schlechter“ dominant ist.
=== Chreode der organisierten Unverantwortlichkeit ===
Die Erfahrungen und Botschaften seitens der frühen Bezugspersonen weisen in Richtung Distanz, Abstand, ja sogar Wut gegen die Wirtschaft, gegen Manager, Politiker, Lehrern und den Staat. Die nicht verstehbaren [[Selektion]] im Schulsystem („kein Mensch kann mir sagen, warum ich nicht gut bin, wie ich mich verbessern kann, warum ich so ungerecht beurteilt werde“) formieren sich bei solchen Lernenden als Teil ihres Lebensplanes in folgender Weise: „Die da oben nehmen uns jede Beteiligung an dem ab, was da draußen geschieht.“ Das folgende Zitat eines Hauptschülers macht deutlich, wie destruktiv diese Chreode nach innen wie außen wirkt: „Ich gebe diese Verantwortung auch wirklich ab. Dann bin ich auch für meine Leistungen nicht mehr verantwortlich; die werden sowieso von anonymen Lehrern festgelegt. Es lohnt sich nicht, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen“. Lernen ist bei dieser Chreode zum nicht nachvollziehbaren Zwang geworden. Nur bei persönlichen Interessen ist eine Parallelisierung mit dem Unterricht noch möglich.
=== Chreode des Null- Bock ===
Dieser Lebensplan entsteht bei Kindern und Jugendlichen u.a. wegen der subjektiv nicht durchschaubaren Komplexität der Welt, „Man kann da sowieso nichts machen, alles kann man beliebig erklären und begründen“, oder wegen einer konsumorientierten, überfürsorglichen Welt, in der man sich nicht auch noch um Probleme kümmern solle: „Ich hab sowieso schon genug Probleme.“
Eine Variante ist die materielle Unabhängigkeit durch wohlhabende Eltern und oder gar eine Erbschaft: „Ich lebe mein Leben und wähle aus, was für mich schön ist.“ Die Atomisierung der Moral erzeugt eine Haltung, die davon ausgeht, dass man den Anderen sowieso nicht überzeugen oder gar zwingen kann. Genauso aber, wie der Einzelne zähneknirschend akzeptiert, dass er die Wertvorstellungen des Anderen kaum beeinflussen kann, verbittet er sich auch die Einmischung in seine eigenen inneren Angelegenheiten. Die dazugehörigen Anteile aus anderen Chreoden können sein: aversive Türhüter- Chreode, Chreode der Aggression, Chreode der Depression, Chreode der Resignation. Die häufig vorkommende Logiken sind dabei: aversive Verneinung, Logik des Drama - Dreiecks, Logik der linearen Moral, Logik des Umdeutens (Redefinierens), Logik des Müssens, Logik der Perspektivlosigkeit, Logik der Aggression
Schülerverhalten ist in der didaktischen Forschung ein vernachlässigtes Gebiet. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass in der Lehreraus- und- Fortbildung über Schülerverhalten kaum Informationen oder gar Trainingsseminare im Umgang mit Lernenden auf einer empirischen und theoretischen Grundlage angeboten werden.
Abschließende Bemerkungen
Die Strukturgeschichte von Lernenden ist derjenige Bereich, wo entschieden wird, ob eine neue Information seitens des Lehrenden oder der Lernenden in das eigene Bewusstseinssystem und später in das Gedächtnis eingearbeitet wird oder nicht. Die Negation, der Ausschluss von Information und erwartetem Verhalten durch Lehrende wird allein durch die Eigenlogik des Lernenden bestimmt. Dies geschieht in weiten Bereichen unbewusst. Die Erwartung des Lehrenden ist aber meist so geartet, als ob der Lernende bewusst nicht lernen wollte. Hier wären die Ergebnisse aus der [[Hirnforschung]] hilfreich.
Kinder und Lehrende organisieren und konstruieren in einer Lernkultur ihre innere Welt gemäß ihrer inneren Geschlossenheit und deren Prinzipien [[Chreoden]] als Beschreibung von Bewusstseinszuständen und Handlungsimperativen haben neben kognitiv/epistemologischen auch soziale, individuelle und alltagsweltliche Bedeutungen. Dies gilt für Aufmerksamkeitsbereiche, die andere Bewusstseinbereiche ausschalten, trüben oder verwischen und damit vielen Lernenden die freie Form oder andersgeartete [[Repräsentationen]] seitens des Lehrenden fremd, unverständlich oder überlappt erscheinen lassen.
Folgt man den neurobiologischen Befunden (Roth, G. 2003), so kann man sagen, dass jedem Bewusstseinszustand ein ganz bestimmter Hirnzustand bzw.- prozess zugrunde liegt. Bestimmte Hirnvorgänge gehen dem Bewusstseinvorgang voraus, eine kausale Verursachung von Bewussteinzuständen durch Hirnprozesse ist gut nachgewiesen Es ist auch sehr überzeugend, dass ein Bewusstseinszustand immer mit der [[Vorgeschichte]] des individuellen System immer rückwirkend/rekursiv verbunden ist (Roth, G. 188f.).Es sind die in der [[Transaktionsanalyse]] umschriebenen Skripts, die geheimen [[Lebenspläne]],“beliefs“ in denen Kinder gewöhnlich bis zum Alter von sieben Jahren ihr zukünftiges Leben unbewusst vorplanen. Durch diese Skripts wird insbesondere festgelegt, welche Beziehungen man zu sich selbst und zu Anderen haben wird. So ein Skript wird zur Richtschnur, die den Lebensplan einer Person sowie die Ereignisse zukünftiger Krisen und Entscheidungen bestimmen.
Ein Skript besagt auch, ob jemand eine grundlegende Lebensfreude und den Wunsch nach lustvollem und kreativem Leben haben darf oder ob die Welt und man selbst konstruktiv oder eher destruktiv sein wird.
In der Adoleszenz können sich wichtige Aspekte des Skripts ändern, neue Entscheidungen können alte umstrukturieren, es können Aspekte zeitweise verschwinden und später plötzlich wieder auftauchen.
Hinsichtlich der Wissensstrukturen sind diese Chreoden aus dem Primärhabitus als Dauerzustand zu betrachten, mit der der Lernende (eventuell durch Fremdaufklärung) und der Lehrende (durch Selbstaufklärung) zu tun haben. Sie sind in vielem die Dominanzfaktoren für die weitere Schul- und Berufskarriere (Kösel, E. 2002, Uhlig u.a.2009).
Erfahren die Träger oder die Lehrenden keine Aufklärung (i. S. von self science), so sind diese Chreoden in der Driftzone des Unterrichts kaum zu verändern, und der Lehrende steht ihnen meistens hilflos gegenüber, wenn er keine Kategorien der Erklärung und des Verstehens in seiner professionellen Aus- und Fortbildung erfährt. Hier ist die Forderung nach einem Konzept von Coaching oder Beratung für den Lehrerstand eine unumgängliche Notwendigkeit geworden.
Quellen:
Fend, H. 1980 Theorie der Schule München/ Baltimore
Fend, H. 2007 Neue Theorie der Schule Wiesbaden
Joern J. Bambeck (1997):Persönlichkeitsanalyse. Die neue Generation von Persönlichkeits-Instrumenten, Freising
Kösel, E. (2002): Die Modellierung von Lernwelten.
Band I(2002): Die Theorie der Subjektiven Didaktik. Wissenschaftliche Grundlagen. 4. Aufl. ISBN 3-8311-3224-0. Bahlingen (www.sd-verlag.de)
Band II (2007): Die Konstruktion von Wissen. Eine didaktische Epistemologie für die Wissensgesellschaft. ISBN 978-3-00-020795-2. Bahlingen( www.sd-verlag.de)
Karl Heinz Brisch/ Theodor Hellbrügge (2006): Kinder ohne Bindung. Deprivation, Adoption und Psychotherapie. Stuttgart
Friedrich, G., Ditz, K. Wer nicht auffällt, fällt durch. Die neuen Spielregeln der Piktogramm - Gesellschaft. Wien/München
Lakoff. G. Johnson, M.(1998): Leben in Methaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern. Heidelberg
Roth, G.(2003): Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert. Vollst. überarb. Auflage Frankfurt/M
Sandbothe, M. (2003):Lehren und Lernen im Zeitalter des Internet. Hrsg. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Bielefeld.
Uhlig, J., Solga, H. Schupp, J.(2009): Ungleiche Bildungschancen. Welche Rolle spielen Underachievement und Persönlichkeitsstruktur. WZB. Berlin
Literatur:
Karl Heinz Brisch/ Theodor Hellbrügge (2006): Kinder ohne Bindung
K-H Arnold,/E. Jürgens.(2001): Schülerbeurteilung ohne Zensuren. Neuwied.
M. Jachmann (2003): Noten oder Berichte. Die schulische Beurteilungspraxis aus der Sicht von Schülern, Lehrern und Eltern. Opladen.
E. Jürgens (2008): Was ist ein guter Unterricht? Neue Konzepte im Wandel der Lernkultur.Bd.4..Päd. Führung in Schulleitung.
E. Kösel (2002): Die Modellierung von Lernwelten.
Band I(2002): Die Theorie der Subjektiven Didaktik. Wissenschaftliche Grundlagen. 4. Aufl. ISBN 3-8311-3224-0. Bahlingen
Band II (2007): Die Konstruktion von Wissen. Eine didaktische Epistemologie für die Wissensgesellschaft. ISBN 978-3-00-020795-2. Bahlingen
Band III: (2008): Die Entwicklung postmoderner Lernkulturen. Ein Plädoyer für den Umbau der Schule. ISBN 978-3-00-020794-5. Bahlingen
D. Olweus (1996):Gewalt in der Schule. Was Lehrer und Eltern wissen sollten und tun können.
Kurt Singer(1998): Die Würde des Schülers ist unantastbar. München
F. Winter (2004): Leistungsbewertung. Eine neue Lernkultur braucht einen anderen Umgang mit Schülerleistungen. Hohengehren
Norbert Seibert (1999): Kindliche Lebenswelten. Bad Heilbrunn