Lernkulturen /Kurzfassung
Prof. Dr. Edmund Kösel
Freiburg
Expertise 1
Lernkultur Kategorien (Kurzfassung)
An der Hauptkategorie „Lernkultur“ wird sich erweisen, ob die Bildungspolitik einen tatsächlichen Aufbruch zu einer hoffnungsvollen, zukunfts-orientierten und förderenden Lebenswelt für die junge Generation sein wird oder die alten Muster in einem versteckten Gewand wieder auftauchen.
Viele Anzeichen sprechen eher für die Letztere, wo zwar der Begriff „Gemeinschaftsschule“ etabliert, aber meines Wissens keine fundierte inhaltliche und konzeptionelle Vision einer modernen Lernkultur bisher entwickelt wurde.
In einem fairen Aushandlungsprozess zwischen den Beteiligten müssten die inhaltlichen, personellen, konzeptionellen und ressourcemäßigen Bereiche Schritt für Schritt operativ geleistet werden.
Allgemeine Didaktik/Schulpädagogik:
Die Allgemeine Didaktik/Schulpädagogik als zentrale Bezugswissenschaft hätte die Aufgabe, den Bereich Lernkulturen sowohl theoretisch, operativ und alltagstheoretisch aufzuarbeiten, Forschungsprogramm darüber zu entwickeln, didaktische Optionen höherer Wahrscheinlichkeit des Erfolgs zu erarbeiten und der Gesellschaft bzw. den Landesregierungen als bisher zuständige Behörde zu präsentieren. Sie konnte im Laufe der letzten Jahrzehnte diese Aufgabe nur in geringem Umfang wahrnehmen, weil u.a. die Landesregierungen in der Vergangenheit diesen Bereich weder unterstützten noch Untersuchungen frei zugänglich machten. Diese Entscheidungen sind nach dem heutigen Stand immer auf der Grundlage der Geschlossenheit der Bildungspolitik der Landesregierungen, nicht aber im Rahmen der Geschlossenheit eines autonomen Schulsystems getroffen worden. Dies lässt wohl auch den Schluß zu, dass die Schulpädagogik nie frei in ihrer Theorieentwicklung und Unterrichtsforschung war, weil ja sowieso alles von oben festgelegt wurde.
In der Lernkulturforschung sollte nicht nur der Bereich der Kausalzuschreibung hervorgehoben werden:
Mit der Logik der Kausalzuschreibung (Output-Steuerung) setzt man neuerdings Ziele, wie die nationalen Bildungsstandrads und vertraut „naiv“, dass sie dann über die Delegation und Umsetzung über die Länder, von den Ländern in die Bezirksregionen, von den Bezirksregionen an die Schulen und in den Schulen an die Lehrenden und dann schließlich bei den Lernenden umgesetzt werden sollen, können. Hier werden grundlegende Mechanismen der Organisation, der Selektion und des Verstehens bei den einzelnen Ebenen, die Selektion von Information bei den Lehrenden und Lernenden als geschlossene Systeme und schließlich die längst etablierten Muster schulischen Lernens im schulischen Alltag gründlich missachtet bzw. bewusst nicht wahrgenommen, weil es für die „Aufdecker“ solcher Dimensionen wegen Realitätsillusionen sehr unangenehm werden könnte.
Erfreulicherweise nehmen die kritischen Argumente zu dieser Output Steuerung und deren Bedeutung für Schulkulturen zu.
( s.H.G. Rolff, U. Hameyer,H. Altrichter, A. Strittmatter, H. Brügelmann. Alle in: Journal für Schulentwicklung, 4/2004.
Wer sich in die bildungspolitische Landschaft wagt und dort Umbau und Veränderung anmahnt, oder aktiv sich einmischt, sollte sich vor allem gegen laienhafte Gewohnheitsbilder der Schule auf allen Ebenen argumentativ und empirisch gut wappnen.
Eine zweite Paradoxie gilt es dabei auch zu beachten: alle reden von Innovation und Veränderungsarbeit, von Nachhaltigkeit und Verantwortung für die nächsten Generationen; dies darf aber nur geschehen in dem in den letzten 50 Jahren festgesetzten Gewohnheiten, Strukturen und Mythen. Dass dieser einmal festgesetzten Rahmen heute jedenfalls nicht mehr tragfähig ist, zeigt sich auf allen Ebenen der deutschen Gesellschaft.
Hier liegt m. E. eine große Aufgabe bei der Grün-roten Landesregierung vor, neue und überzeugende Ecksteine darzustellen und sie operativ um zu setzen.
Grundkategorien einer Lernkultur:
A. Didaktische Grundorientierung
B. Didaktische Positionen im Bildungstauschmarkt,
Theorien über die Gesellschaft, den Menschen und das Wissen)
C. Didaktische Konzepte
D. Sinn- und Wissensprodukte
E. Organisation
F. Kern- und G. Randbildung
H. Epistemologie
I. Leistungsbewertung und Leistungsinterpretation
K. Kommunikation
L. Methodenkonzepte
M. Alltagshandeln- Routinehandeln -Alltagstheorien
N. Netzwerkbildung
A. Didaktische Grundorientierung und ihre Referenzbereiche
Postmoderne Gesellschaft
Bildungstauschmarkt
Subjektive Didaktik
Didaktische Position im Bildungstauschmarkt,
Theorien über die Gesellschaft, den Menschen und das Wissen)
Theorie lebender Systeme (Autopoiesis)
Gehirnforschung
Konstruktivismus
Unterscheidungstheorie
Didaktische Reflexion -didaktisches Handeln (H1-H4)
Didaktischer Relativismus
Didaktische Epistemologie
B. Sinn- und Wissensprodukte in einer Lernkultur
Gesellschaftliche Mythen und Sinnproduktionen
Lehrplanvision und Bildungstauschmarkt
Gebrauchswert des Wissens
Symbolwert des Wissens
Systemwert des Wissens
Kompetenzen -Qualifikationen - Entwicklung
Subjektive Weltstrukturen
Aktienwert von schulischen Leistungen
Neue Wege der Leistungsinterpretation
Rahmenbedingungen eines Lernkultur: personale, finanzielle und räumliche Voraussetzungen
Das Gedächtnis des Systems
C. Organisation
Grundorientierung der Organisation in einer Lernkultur
Führungsstile (Hierarchien, Heterarchien)
Verhalten und Leben in der Organisation: Medien der Organisation
Rollen, Status, Nomen
Funktionen
Kontingenzen- Art der Kommunikation
Ressourcen
Dokumentation
Verfahren
Typisierung
Habitualisierung
PR- Massnahmen
Entscheidungen
C. Kernbildung in einer Lernkultur:
Sinngrenzen,
Sinnproduktion
Leitbilder
Rituale Feste- Feiern
Initiationen
Normierungen-
Produktprestige intern
Synreferentialität einer Lernkultur
Interne Loyalität
Interne Regeln- Normen
Glaubwürdigkeit und Kongruenz
Entscheidungskultur
Soziale Netzwerke
Zugehörigkeit
Anerkennung und Wertschätzung
Gegenseitige Erwartungserwartungen
Kohärenz
Mythenbildung
Musteranalyse,
Musterneuaufbau,
Musterveränderung/ Variation,
Musterverfestigung
Weitere Kategorien in einer Lernkultur:
Kinesik
Bewegungs- und Emotionskultur: Taktile, gestische, kinesästhetische, mimische Aspekte
Chronemik- Zeitkultur
Proxemik- Raumkultur:( die Bedeutung des Raumes bei
Nähe und Distanz von zwischenmenschlichen Beziehungen,
Territorialverhalten (menschliche Aneignung, des Besitzes und der Vereidigung des Raumes –hier Lernraumes, z.B. Platzpräferenzen,
konventionales Verhalten und Musterbildung
Hierarchien- Heterarchische Versionen
Hedonismus
operative Geschlossenheit
-Schutz vor..
-Abstimmungsrituale
-Energiehaushalt
-gemeinsame Erwartungen
-gemeinsame Sinnstrukturen
generalisierte Medien: z.B. Bildung, Noten, Wahrheit, Macht, Liebe, Eigentum, Geld.
gegenseitige Resonanzen
gemeinsame Präferenzen
gemeinsame und individuelle Zeitkontingente
Prestigewert der Produkte nach innen und nach außen
Insidersprache
System- Umweltbezug
Vollsysteme
Quasisysteme, -Hybridbildungen
E. Die Randbildung in einer Lernkultur
Abgrenzung nach außen (Wer gehört zu uns, woran kann man uns erkennen?
Inkompatible Elemente zu den relevanten Umwelten
(was ist einmalig bei uns, nicht austauschbar?)
Systemexterne Relationen- Dichte
Produktabgrenzung
Systemexterne Zeitsouveränität
Externe Loyalität
Selektivität
Durchlässigkeit
Anschlussmöglichkeiten
Externes Territorialverhalten
Produktprestige nach innen und nach außen
F. Didaktische Epistemologie
Didaktischer Relativismus
Die Konstruktion von Wissen
Die Wissensarchitektur
Der Bezugsrahmen
Die Wissensformen
Die Wissensarten
Die Wissenslogiken
Die Wissensfelder
Die Wissenskontexte
Kognitive Überproduktion
Kognitives Geräusch
Korridorbildung in der Wissenskonstruktion
Die Selbstorganisation von Wissen
Leistungsinterpretation auf neuen Wegen
G. Kommunikation in einer Lernkultur
Die operationale Geschlossenheit personaler und sozialer Systeme
Asymmetrische Kommunikation
Symmetrische Kommunikation
Beobachterposition
Fremd- und Selbstreferenz
Zuschreibungsprozesse
Daten- Informationen- didaktische Mitteilung
Die 4 Seiten einer Nachricht
Die nicht- direktive Gesprächsführung
Kommunikation in der Driftzone
Der Zwangscharakter der unterrichtlichen Kommunikation
H. Netzwerkbildung in der Schule
Relationenanalyse nach innen und außen
Relationendichte nach innen
Kommunikationsdichte nach außen
Festlegung der Kontingenzen nach außen
Tutorensysteme
Coaching
Türhüter - Opinion leader
Fortbildung:
Grundlagenprogramme-
Sonderprogramme
Didaktische Konzepte
Projekte
Lehrerhandeln
Analyse von Lernkulturen
Schülerverhalten
I. Typen von Lernkulturen
Lernkulturen nach inhaltlich- konzeptionellen Gesichtspunkten
a. die technologisch-instrumentell-funktional
orientierte Lernkultur (Bildungstauschmarkt)
b. kommunikativ orientierte Lernkulturen
c. die ökologisch orientierte Lernkulturen
d. die Selbstverwirklichungs- Lernkulturen
Lernkulturen nach formalen Gesichtspunkten
a. Lernkulturen mit festgelegten Referenzen
. b. Lernkulturen mit geringen Kontingenzen
. c. Lernkulturen mit wechselnden Referenzen
. d. Lernkulturen nach funktionalen Aspekten
Die operativen Referenzen der schulischen Organisation
Besonderes Augenmerk muss auf die Organisation gerichtet werden, weil die Struktur der Organisation ein wesentlicher Faktor zur Bewusstseinsbildung darstellt. Folgende Kategorien gehören dazu:
Personalentwicklung
Rollenverteilung (vertikale und horizontale)
Rechtsvorschriften/Verordnungen
Rechtliche Neubestimmung der Leistungsbewertung
Typisierung/ Verfahren
Routinisierbarkeit
Hierarchien
Verfügbarkeit der Mitglieder
Standarisierbarkeit
Ressourcen
Alltagshandeln in der schulischen Organisation
Erfolg/Misserfolg der schul. Organisation
Systeminternes Entscheidungsverhalten
Perspektiven für eine Umgestaltung von Lernkulturen in einer neuen Bildungspolitik
Wenn man Didaktik als absichtsvolle Kommunikation betrachtet, so kann man zunächst sagen, Lernkulturen seien die sozialen, topologischen und organisationalen Einheiten, wo diese geschehen kann. Wenn man davon ausgeht, dass Erziehung an Erziehungsbedarf gekoppelt ist und dass- wie Luhmann es formuliert, die wachsende Bedeutung an Zukunftsunsicherheit ein Hauptmerkmal auch in der Schulpädagogik, Allgemeinen Didaktik und in der Erwachsenenbildung zu sehen ist, so ergeben sich ganz neue Perspektiven in einer postmodernen Lernkultur: Statt Sicherheit zu suggerieren, muss Unsicherheit als basalen Faktor gelten und bei den jungen Lernenden so einzubeziehen, dass sie für diese zukünftige Unsicherheit Sicherheit gelangen. Aber dies steht hier nicht zur Diskussion. Vielmehr müssen wir allen folgenden Ausführungen von einem Grundbestanteil der Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft (vor allem in der Didaktik) davon ausgehen, dass wir in diesem Bereich keine Kausalzurechnungen vornehmen können. Erziehung ist zwar die absichtsvolle Kommunikation in sozialen Systemen, deren Ziel die Veränderung der Person darstellen soll, aber bereits an diesem Fundament gibt es eine gravierende Einschränkung:
Wir können die Lernenden nicht mit einer bestimmten Methode oder Technologie konfrontieren, um das Ziel „besser“ und Entwicklungsförderung“ direkt und kausal zu erreichen. Dazu sind die Einsichten in die autopoietischen Strukturen des Menschen dermaßen gravierend, dass wir im günstigsten Fall auf „Veränderung“ oder „Entwicklungsförderung“ hoffen können. Innerhalb dieses Rahmens- so könnte man argumentieren, brauchen wir nur entsprechende Forschungsdesigns und -Methoden, um die gegenseitigen Systeme nach ihrer „Wirkung“ oder besser gesagt in ihren gegenseitigen Resonanzen zu untersuchen.
Die Option als Korridor höherer Wahrscheinlichkeit in diesem Zusammenhang bedeutet, dass wohl überlegte Konzepte und Theorien Pfade häufiger und erfolgreicher Ergebnisse produzieren als andere, weil es zwar keine präzise Voraussage des Verhaltens und des Erfolgs erlaubt, aber eine Bandbreite beschreitet, die jedem eine gewisse Kontingenz erlaubt, andererseits der bisherige Erfolge für die Beibehaltung dieser Bandbreiten spricht. Es sind inkorporierte Regeln als Muster bekannt und diese enthalten Erwartungen, die die etablierten Mitglieder kennen und auf ihre Weise einhalten (Konzept der „strange attractors, s.Willke.1994).
Wenn dies so ist, brauchen wir eine Option und eine Begründung für bessere oder schlechtere didaktische Konzeptionen, die man dann als eine Rationalitätsdidaktik oder Reflexionstheorie ausarbeiten und dann als Rahmung didaktischen Handelns einführt und zur Erprobung freigibt..
Nicht aber so, als ob die Praxis die theoretische Konstruktion in Handeln 1:1 umsetzen könnte oder wollte. Dies ist sowie so nicht möglich.
Referenzbereiche für einen Umbau
Angesichts der riesigen Defizite im Schul -und Bildungssystem in BW müssen die organisationalen Makro und Mikrostrukturen behandelt werden und nach dem Prinzip der Machbarkeit Schritt für Schritt um
zu setzen:
- Die Struktur und Organisation des Bildungs -und Schulsystems müssen erneuert werden
- Der Umbau vom dreigliedrigen Schulsystem sollte in ein differenziertes Wahlsystem gemäß den individuellen Entwicklungen der Lernenden erfolgen
- Es sollten längere Entwicklungszeiten für den einzelnen Lernenden in einer Lernkultur ermöglicht werden.
- Es sollte eine Reduzierung und Neugewichtung des Bildungstauschmarktes erfolgen
-Es sollte eine individuelle statt strukturelle Leistungsbewertung erfolgen
-Lehrende sollten in Zukunft keine Beamten sein
- Eine weit größere experimentelle Haltung gegenüber der schulischen Organisation sollten vor allem relevanten Gesellschaftsgruppen gewünscht werden.
- Es muss eine Abbau der hierarchischen bürokratischen Strukturen als Ergebnis der Top- down Haltung der Parteien und der Kultusministerien erfolgen. - Der Staat allein ist nicht mehr in der Lage, ein modernes und flexibles Schulsystem zu organisieren
- Das Bildungssystem darf nicht ausschließlich von den Parteien und den gestellten Regierungen determiniert werden. Andere gesellschaftliche Teilsysteme sind Partner des Schulsystems in einem neuen Verständnis von Organisation für die Autonomie der Schule.
- die finanziellen Ressourcen des Staates sind angesichts der gigantischen Verschuldung bei weitem nicht mehr in der Lage, ein modernes effizientes und global ausgerichtetes Schulsystem mit genügend Ressourcen auszustatten.
- wir brauchen ein Finanzierungssystem, das von den relevanten Teilsystemen der Gesellschaft und von Privatpersonen mitgetragen wird (Sponsoring der älteren Generation, Stiftung, Spenden, Vererbung, steuerliche Vorteile, Mitwirkung des SWR bei Lern- und Wissensprogrammen).
- die Bildungsvorstellungen in Deutschland stammen aus einer stratifizierten Gesellschaft. Aus dieser Sicht ist allein der Staat für das Bildungssystem zuständig. In einer Demokratie und darin eine funktional -differenzierte Gesellschaft sind aber ganz andere basalen Faktoren entscheidend: die relevanten Gruppen sorgen und verantworten selbstständig die Weitergabe des Wissens an die nächste Generation. Geschlossene Systeme produzieren ihren eigenen Sinn. Parteien und Regierungen produzieren ihren eigenen Sinn in einem fremden System, in der Schule. Sie sind gar nicht in der Lage, den didaktischen Sinn von Schule oder von Wissenszentren zu konstituieren. Trotzdem glaubt man immer noch, der Staat und im Gefolge die Parteien und Regierungen wären Spezialisten für das Wissen von morgen. - Die Dominanz von Kulturministerien und Kultusbürokratie verhindert die Entwicklung moderner Lernkulturen
- Die Schule ist ein funktional -differenziertes Teilsystem der Gesellschaft.
- Die Regierungen und die Kulturhoheit der Länder haben lediglich eine politisch -strukturierende Funktion.
- Die Kultusministerien als Teil der Kultushoheit der Länder haben eine Neudefinition von Zuständigkeit und Kompetenz gegenüber der Autonomie der Schule zu leisten (Bereiche: Weisungsbefugnis, dezentrale Personalentwicklung, vor allem Aufbau eines dezentralen Personalmarkethingskonzeptes, Verzicht auf epistemologische Vorgaben, Epistemologische Neutralität, Neutralität in der Leistungsbewertung und Leistungsvorgaben). - Wissen ist nicht mehr Wahrheit, sondern Konstruktion, Ressource und Unterscheidungsarbeit.
- Der Staat hat sich gänzlich aus der epistemologischen Kompetenz zurückzuziehen (Abschaffung der staatlichen Lehrpläne, Aufbau von epistemologischen Zentren, Beteiligung der relevanten gesellschaftlichen Gruppen an der Konzipierung von Wissensvisionen für die Zukunft). Die bisherige epistemologische Hoheit der Kultusministerien ist durch nichts mehr zu rechtfertigen.
- die Abkehr vom Mythos des „allmächtigen“ Lehrplans ist an der Zeit
- die Revision des Begabungsbegriffs ist eine dringende Änderung einer längst überholten und überflüssigen Entscheidungsprämisse.
- Die didaktische Epistemologie hat die Aufgabe, eine neue Wissensarchitektur für eine moderne Wissensgesellschaft zu entwickeln und den epistemologischen Zentren bereitzustellen.
- die Abkehr vom ontologischen Wissen zum Konstruktions -und Unterscheidungswissen ist geboten.
- Die Einbeziehung der modernen wissensbasierten Möglichkeiten sollten weiter ausgebaut werden. Endentwicklung wäre dann die Freigabe von Wissensaneignung und Wissensgenerierung als persönliche individuelle Leistung in einer von dem staatlichen Prüfungsmonopool unabhängigen Prüfungsrahmen und damit einer alternativen Qualifizierung. - Die Prinzipien des selbstorganisierten Lernens in Lernkulturen sollten stärker strukturell und mental gefördert werden.
- die Prinzipien der Selbstorganisation, der individuellen Autonomie, der Selbstdifferenzierung, der operationalen Geschlossenheit und der Rekursivität sind die Ausgangspositionen einer modernen didaktischen Option.
- Die bisherigen Versuche von Selbstorganisiertem Lernen müssen verstärkt und öffentlich mehr ins Bewusstsein gelangen (Elternaufklärung, Lehreraus -und -fortbildung, Industrie, Printmedien und Fernsehen).
- Die Übernahme von individueller, nicht staatlicher, Verantwortung muss Ziel der künftigen Bewusstseinsentwicklung für eigenes Wissen von Lernenden und Lehrenden sein. Die Mentalität der organisierten Unverantwortlichkeit sollte schnellstens abnehmen.
- Die dazu notwendigen Ressourcen (Räume, Personal, Medien, Mitsprache- Recht von Lehrenden in den kommunalen und regionalen Entscheidungsgremien über Schule und Bildung und generalisierten Medien) sollten Schritt für Schritt erstritten werden. - In der pluralistischen Wissensgesellschaft genügt eine Instruktionsdidaktik nicht mehr.
Neue Formen der systemischen, konstruktivistischen, subjektiven Didaktik und Fachdidaktiken, der humanistisch orientierten Didaktikkonzepte sollten anerkannt und gefördert werden.
- Die Anhänger der Instruktionsdidaktik mit ihrem epistemologischen Führungsanspruch verkennen die grundlegenden anthropologischen und neuronalen Voraussetzungen unseres Gehirns.
- die Dominanz der Instruktionsdidaktik muss zugunsten des selbstorganisierten Lernens abgebaut, nicht abgeschafft werden.
- Die Aufklärung über die modernen Formen der Wissensvermittlung bei Lehrenden, Forschern, Hochschulen, Eltern und Schülern ist eine Forderung für eine konkurrenzfähige Gesellschaft inmitten globalisierter Entwicklungen
- die Förderung von Kongressen, Publikationen, Foren, öffentlichen Veranstaltungen über Konzepte höherer Wahrscheinlichkeit des Erfolgs im Bereich des Lehrens und Lernens müssen weit mehr in das öffentliche Bewusstsein vor allem durch eine Bildungsoffensive in allen Medien erreicht werden.
7. Die Schule der Zukunft ist ein funktional -differenziertes Wissenszentrum mit hoher Autonomie und Selbstorganisation
- die zukünftigen Wissenszentren organisieren sich auf der Grundlage einer neuen Organisationsstruktur und eines Ressourcenpools eigenständig. Sie sind verantwortlich für die Organisation und
Entwicklung einer gedeihlichen Lernkultur.
- Die Mitglieder dieser Wissenszentren sind professionell in folgenden Bereichen ausgebildet (self science, sozial sciense und material Science, didactic science).
- Die didactic community ist rechenschaftspflichtig. Sie stellt ihre Arbeit der relevanten Öffentlichkeit dar.
- das jeweilige System ist verpflichtet, ihre Leitdifferenzen, Prinzipien und Methoden zu veröffentlichen und einem Beirat Rechenschaft über die Didaktische Arbeit zu leisten
- Die einzelnen Mitglieder eines Schulsystems verpflichten sich
ihre ganze Kraft und Qualifikation für eine gedeihliche Lernkultur einzusetzen.
- Die Leistungen von Lernenden und Lehrenden werden öffentlich dargestellt und bewertet.
- Die Balance zwischen Wissen, Erfahrung und Handeln sollte beachtet sein.
8. Eltern brauchen Aufklärung über die geistige, soziale und individuelle Entwicklung der Primärstruktur ihrer Kinder
- der Kenntnisstand der werdenden und bereits gewordenen Eltern über die frühkindliche Entwicklung ist erschreckend gering.
- Die entstehenden Schädigungen und irreparable Habitusentwicklung bei vielen Kindern sind Folgen eines nicht mehr wohlwollenden, aber zugleich führenden Erziehungswillen vieler Eltern.
- durch die hohe Komplexität von Perspektiven und dem Zerfall des Referentiellen, ist ein Grossteil der Eltern nicht mehr in der Lage, eine auf Verlässlichkeit, Ordnung und zugleich Freiheit
aufgebaute Erziehungsgemeinschaft herzustellen.
- Viele Situationen von defizitären Erziehungssituationen sind aber auch durch eine Negierung und Nichtbeteiligungen von relevanten Gesellschaftsgruppen (Unternehmen, Organisationen, Ämter, Parteien)
hervorgerufen. Wenige betriebliche Kindergärten, selbstorganisierbare Kinderzentren, unzureichende erziehungsadäquate Berufszeiten und Förderung von Frauen in Betrieben, Unternehmen und
Organisationen sind in Deutschland Ausdruck von Desinteresse an den Kindern als zukünftigen Arbeitnehmern und Steuerzahler in der Gesellschaft.
- die Rolle der Mutter und des Vaters sind durch den Zerfall von referentiellen Mustern von allen öffentlichen Bewusstseinssystemen hochgradig niedrig bewertet. Der Wert „Kinder kriegen und haben“
ist heute eine untergeordnete und funktionale Sache. Kinder lieben und zugleich in eine Ordnung hinein zu erziehen, gehören nicht mehr zu den öffentlichen Selbstverständlichkeiten.
- die Schule kann auf keinen Fall die frühen Schädigungen heilen, sie könnte evtl. unter anderen Rahmenbedingungen eine Musterveränderung und z.T. einen Musterneuaufbau mit Hilfe moderner und
effektiverer Konzepte erreichen.
-gegenwärtig zahlt die Gesellschaft riesige Summen für die Reparatur und Folgeschäden dieser Missachtung von familiärer Erziehung, anstatt in die Anfangs- und Ausgangssituation und die erste Phase
der Entwicklung von Kindern weit mehr zu investieren und Aufmerksamkeit zu schenken.
9 Zu einer grundlegenden Professionalisierung der Lehrenden müssen neue Bereiche hinzukommen.
- Die heutige theoretische und handlungsmäßige Vorbereitung von LehrerstudentInnen für eine hochkomplexe schulische Situation ist unzureichend und irreführend.
- die didaktischen, epistemologischen, sozialen, individuellen und gesellschaftlichen Anteile am Studium für eine Qualifizierung des didaktischen Handelns in einer schulischen Organisation sind
sowohl von ihrem Umfang her als auch von der Intensität geradezu lächerlich.
- die Kultusministerien gaukeln durch Kataloge von Inhalten und Kompetenz - Formulierungen eine Qualifizierung des Lehrerstandes den gesellschaftlich relevanten Gruppen vor, der in der Realität zu
einer didaktischen Schmalspur- Qualifizierung gerinnt.
- die Aufgliederung in eine erste und zweite Phase der Lehrerbildung hat keine ausreichende Qualifizierung der JunglehrerInnen in Richtung didaktischem Handeln geführt. Dazu müsste eine klare
Aufgabentrennung und eine klare Buchhaltung über didaktische Reflexion und didaktischem Handeln im Alltag erfolgen. Die Vertreter der zweiten Phase haben keine Theorie des didaktischen Handelns bis
heute entwickelt.
- die Qualifizierungsbereiche der zukünftigen Lehrenden müssen neu gestaltet werden:
- die Fachdidaktiken und die Allgemeine Didaktik/Schulpädagogik entwickeln gemeinsam eine Theorie der fachlichen Vermittlungsprozesse
- Der zukünftige Lehrende ist profund ausgebildet in den Bereichen
- self sciense (Wissen über sich selbst)
- sozial science (Wissen in den sozialen Feldern
- Grundlagenwissen und Methoden einzelner Fachgebiete
- einer didaktischen Epistemologie
- Das Training von Fertigkeiten und Handlungskompetenz in den Bereichen Musterbildung, Musteraufbau und Musterveränderung bei Lernenden durch - Die Reflexion und Qualifikationen für den Aufbau,
Veränderung und Steuerung von modernem Unterricht und Lernkulturen bildet die Grundlage.
10. Das Erlernen neuer didaktischer Handlungs- -und Verhaltensmuster geschieht nicht allein über Theorie
_Wir haben ausführlich und hinreichend dargestellt, dass unser Gehirn zwar Wissen speichern kann, aber davon schon abzuleiten, dass auch Handeln nach diesem Wissen geschähe, ist naiv und
wirklichkeitsfremd. Wenn der zukünftige Lehrende nicht als Wissenschaftler, sondern Handelnder in einer didaktischen und organisationalen Wirklichkeit sein soll, muss die Grundlage für die
Vorbereitung eines zukünftigen Lehrenden in zwei Richtungen gehen:
1. Das Aufzeigen der hochkomplexen Struktur von Unterricht, Lernenden, Schule und Organisation durch Theorie und Reflexion.
2. Junge Menschen, die nach dem Abitur das Lehrerstudium aufnehmen wollen, verfügen keine oder wenige Erfahrungen im Umgang mit Schülern, Lerngruppen, in der Steuerung von Unterricht.
Als Grundlage und Zulassung zum Studium sollte ein Vorauspraktikum (im Umfang von mindestens 6 Monaten) eingerichtet werden, damit die jungen Menschen überhaupt Orientierungs-Muster, erste Erfahrungen und Muster der Steuerung in hochkomplexen Situationen erfahren und sich dann überprüfen, ob sie sich überhaupt für den Lehrerberuf eignen.
3. Die subjektive Reduktion dieser Komplexität sollte auf ein verantwortetes subjektives und erprobtes Handeln der Lehrenden in vielen diversen und schwierigen Situationen in Schule, Unterricht
und Bildungsorganisation erfahren werden, bevor es zu spät ist..
4. Das Wissen um die eigene Entwicklung, um die blinden Flecke hinsichtlich einer Kompetenzanforderung für Lehrende, der Wille zur eigenen Weiterentwicklung und die entsprechenden Selbstanalysen sind
für den Berufsstand, der junge Menschen in ihren plastischen, instabilen und gefährdeten Lage und in einer hochkomplexen Umgebung in eine unsichere Zukunft führen will, unumgänglich.
11. Der Umbau des Schulsystems gelingt nur dann, wenn alle gesellschaftlichen Gruppen sich beteiligen, einen Willen zur Veränderung zeigen und Opfer bringen.
- Die Ansicht, dass das deutsche Bildungssystem allein Sache des Staates und damit nur seiner Verantwortung unterworfen ist, gilt nicht mehr. Es ist auch nicht mehr wünschenswert, dass die Zukunft
der Kinder allein durch den Staat, den Parteien und den Kultusministerien in ihrer eigenen operationalen Geschlossenheit und ihrem eigensinnigen Interessen im Bereich des Sekundärhabitus bestimmt
wird.
- Es wird sich zeigen, inwieweit die gesellschaftlichen Gruppen und die Parteien bereit sind, ihre Privilegien gegenüber dem Bildungssystem zu überdenken, vermeintlich unumgängliche Privilegien
abzugeben und um der jungen und nächsten Generation willen Opfer zu bringen. Lernende und Ungeborene werden vom Staat und den etablierten Erwachsenen ungefragt massiven Belastungen in der Zukunft
ausgesetzt, die sie selbst nicht verursacht haben.
- Alle Erwachsenen sollten dafür weit mehr Opfer für eine gut ausgerüstete Generation als Äquivalent für eine z.T. schamlose Ausbeutung bereits an ungeborenen und geborenen Kindern mit Hilfe von
Paradiesbegriffen wie Solidargemeinschaft, Vertragsgemeinschaft, Soziale Gerechtigkeit, Generationenvertrag usw. bringen Die heutige Verschiebung von Verantwortung und die Anhäufung von Lasten an die
nächste Generation sind ein Anzeichen einer nekrophilen Gesellschaft (Fromm). Sie geniest die Gegenwart und hinterlasst Chaos und Abstieg den nächsten Generationen.
Zusammenfassend ergeben sich folgende Konsequenzen für einen Umbau des Schulsystems:
Makrostrukturen:
-Umbau desDreigliedriges Schulsystem-( 6-9- jährige Grundschule, danach -Auflösung der gymnasialen Oberstufe zugunsten von flexiblen Wissenszentren mit wählbaren Spezialisierungen.
-Verminderung des Bildungstauschmarktes.
-Rücknahme des staatlichen Einflusses und Abhängigkeit vor allem in epistemologischen Fragen, Aufgabe des Einheitsanspruches, der Vergleichbarkeit und Objektivität
- Stärkere Beachtung und Eigenverantwortlichkeit der Eigenlogiken der Beteiligten (Fremd- und Selbstreferenzen).
-Neubestimmung des Personalbereichs (Verfügbarkeit, Austauschbarkeit, Konkurrenz, Status, kein Beamtentum mit allen Folgen, dezentrale Personalentwicklung).
-Neuentwicklungen im epistemologischen Bereich (Didaktischer Relativismus, Rücknahme des Bildungstauschmarktes, postmoderne Wissensarchitekturen)
-Bereitstellung des Ressourcenbereichs durch alle relevanten Teilsysteme (Sponsorenbereiche in Teilsystemen im Rahmen funktional differenzierter Gesellschaft ).
- Reintegration mit anderen Teilsystemen (Kooperation, -Resonanzbildung, strukturelle Koppelung)
Mikrobereich
- Autonome Festlegung des didaktischen Sinnes durch die jeweiligen Schulen oder Schulverbünde.
-Festlegungspflicht für jede Schule auf Didaktischen Optionen und Prinzipien (z.B. Balance zwischen Wissen und Erfahrung)
- Festlegungs -und Veröffentlichungspflicht der Leitdifferenzen, Postulate und Prinzipien
- Neubestimmung einer didaktischen Epistemologie
- Umbau der Mitgliedschaften
- Umbau der Lernortkombinationen
- Bewusstseinsbildung und Verhaltensaufbau der Lehrenden als vorrangige Option für den Handlungsbereich.
- Neuaufbau einer Kern -und Randbildung in der jeweiligen Lernkultur
- Die größere Beachtung und Inkorporierung von psychologischen Bereichen (siehe Merkmale des Organisationsklimas).
- Neubestimmung der Führungsaufgabe, Funktion und Status von Schulführungspersonal
-Neuqualifizierung des Führungspersonals
-Neufestsetzung der Arbeitszeiten, der Verfügbarkeit und Aufgaben der Lehrenden.
- Rücknahme des rigiden Bildungstauschmarktes
- stärkere Betonung der individuellen Potentialität des Lernenden
- Stärkere Betonung von selbstorganisiertem Lernen
- Beratungspflicht der Lehrenden für alle Lernenden hinsichtlich von Lebensfragen, Wissensbestand, Zukunftssorgen und Schädigungen
Festlegung der Didaktischen Prinzipien (z.B. Balance zwischen Wissen und Erfahrung)
In zukünftigen Lernkulturen sollte das Gleichgewicht zwischen Wissen und Erfahrung erreicht werden. Die bisherige Schule hat zu einseitig eine kognitive Überproduktion betont, die u.a. zu den beschriebenen Defiziten und trop- outs von Lehrenden und Lernenden geführt hat. Dazu kommt, dass die junge Generation wenig, oder kaum Erfahrungen im Primär- und Sekundärhabitus in den für die zukünftigen Lebens- und Alltagswelten notwendigen Mustern in anderen Erfahrungswelten sammeln konnte.
Es ist deshalb einer der grundlegenden Forderungen aus der Position der Subjektiven Didaktik, dass eine Balance zwischen Reflexion/Wissen und der Entwicklung von Erfahrungs- und Handlungsmuster zu einer zukünftigen Perspektive einer Einrichtung gehören sollte, die heute Schule heißt. Diese Forderung zieht natürlich erhebliche Konsequenzen hinsichtlich einer neuen epistemologischen, sozialen, organisationalen und finanziellen Hinsicht nach sich. Wir können davon ausgehen, dass alle Lernende (und Lehrende) von Anfang an, an die beiden Ebenen, nämlich Wissen und Erfahrung gebunden sind und sich allmählich darin ausdifferenzieren, dies ist jedenfalls einer der Zielhorizonte für eine zukünftige Schule.
Die nächste Grundentscheidung für eine moderne Lernkultur ist die Stufung des Wissens durch eine Oberflächen und eine Tiefenstruktur des Wissens:
Diese Ausdifferenzierung ist bisher nur dadurch geschehen, dass übergeordneten Instanzen allein bestimmt haben, welche Inhalte der Ausdifferenzierung jeder Lernenden (und Lehrende) zu übernehmen hat, gleichgültig, ob dies möglich oder unmöglich für den einzelnen ist. Es ist aber eindeutig, dass das System Schule diese Zumutungen von außen im Sinne von Lehrplänen und Standards nicht oder nur zum Schein umsetzt (umsetzen kann).
(Hameyer,U.2004.Heymann,2004).Besser unterrichten durch Sicherung von „Standards.Pädagogik,56 /6 S.6-9)
Wir postulieren eine subjektive Stufung und Ausdifferenzierung bei den Lernenden (und auch bei den Lehrenden) gemäß ihrer Struktur. Dazu aber benötigen wir ein Instrumentarium, das uns über die Oberflächen- und Tiefenstrukturen des Wissens Auskunft gibt. (siehe Wissensarchitektur und didaktischer Relativismus).
Berücksichtigung der Musterprofile der Lehrenden und Lernenden
Alle Lehrende und Lernenden haben sehr unterschiedliche kognitive und handlungsmäßige Muster bis jetzt erworben. Wir müssen daher auch im didaktischen Geschäft diese unterschiedliche Differenzierung im didaktischen Handeln als Grundlage nehmen und nicht in eine systematische Form pressen. Sie ist viel zu starr und entspricht keineswegs den jeweiligen Lern- Profilen und Erfahrungsprofilen von Lehrenden und Lernenden.
Zugrunde liegt bei dieser versteckten Entscheidungsprämisse ein fataler Trugschluss: Man unterstellt dem Lehrenden, er soll so handeln, wie es eine Theorie vorschreibt, systematisch, logisch, kontextlos, personenlos, objektiv usw. Diese Kategorien gehören aber allesamt einem ganz anderen Phänomenbereich als dem des Handelns an. Die Logiken des Handelns sind von einer ganz anderen Natur, als die Logiken der Analyse und theoretischen Konstruktion.
Zurückkehrend auf die Ausgangslage des radikalen und sozialen Konstruktivismus wurde einen neuen Reflexionsstatus erreicht:
1. Der Lehrende inmitten von polykontexturalen Erwartungen
Wir beobachten nicht mehr ausschließlich, w a s wir beobachten, sondern w i e wir beobachten. Nachdem wir bereits festgestellt haben, dass wir nicht mehr nur ausschließlich aus der Erfahrung und dem Alltag beobachten können (blinde Flecke), aber auch nicht nur aus einer rein theoretischen Sicht (Negation und Ausschluss), sondern uns selbst von allen Seiten (polykontextural und metatheoretisch) beobachten lernen, geht es jetzt für die Zurüstung (Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung) eines modernen Lehrenden darum, welche Möglichkeiten sich heute dafür anbieten (Schulung in der Wahrnehmung von Erwartungen, Erwartungserwartungen, Chreodenstrukturen, eigene Selbstbeschreibung hinsichtlich der eigenen Skriptentwicklung).
2. der Lehrende als präsenter Epistemologe
Wir benötigen in einer modernen Wissensgesellschaft kompetente Epistemologen in einem wie auch immer in der Zukunft gearteten Schul- und Bildungssystem. Dazu sind zwei basale Voraussetzungen nötig: das subjektive eigene Weltwissen des Lehrenden und die beobachtbaren und vermuteten subjektiven Weltuniversen der Lernenden müssen in der Wissenskonstruktion bei allen Fachdidaktiken theoretisch und praktisch aufeinander abgestimmt werden.
3. der Lehrende als Musterbildner mit eigenen Authentizität
Eine moderne Lernkultur kann nur entstehen und umgebaut werden, wenn die Lehrenden eine didaktische Präsenz aufweisen. Didaktische Präsenz beinhaltet eine Spezialqualifikation, berufliches Engagement, den Willen jungen Menschen Vorbild zu sein und eine engagierte Arbeit in den bestehenden Lernkulturen zu leisten. Dies ist vor allem im Bereich der Musterbildung (sozial, epistemologisch, organisational usw.) von entscheidender Bedeutung.
4.der Lehrende als Mitkonstrukteur einer neuen Wissenswelt
Es geht jetzt darum, die Verbindungen einer lebendigen Lernkultur zu den existentiellen Bezügen bei den Lehrenden und den Lernenden herzustellen.
Danach stellt sich die Frage, welche Grundhaltungen des Lehrenden in einer gedeihlichen Lernkultur wünschenswert bzw. fruchtbar erscheinen:
- Der Lehrende als beobachtender Begleiter in einem Lehr- und Lernsystem (Beobachter 2.Ordnung).
- der Lehrende als moderner präsenter Epistemologe
- der Lehrende als Musterbildner mit eigenen Authentizität
- der Lehrende als Mitkonstrukteur einer neuen Wissenswelt
- der Lehrende als Oszillator zwischen Handlungsalltag und didaktischer Reflexion
- der Lehrende als Begleiter und Resonanzpartner für die Lerngruppe und für den einzelnen Lernenden
- der Lehrende als Begleiter einer hochgradig diversen Lebenswelt der Lernenden
- der Lehrende als ein Mensch mit einem zuverlässigen Referenzrahmen
Literatur:
Kösel, E.(2007): Die Modellierung von Lenwelten. Band III
Die Entwicklung postmoderner Lernkulturen. Bahlingen